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Volker Pachauer
(Foto: RedTD/Gerold Keusch)
Die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina liegt an einer strategisch
wichtigen Position innerhalb des Landes. Bereits zur Zeit der
osmanischen Herrschaft wurde die Stadt befestigt und zu einem
militärischen Zentrum ausgebaut. Mit dem Beginn der Habsburgerherrschaft
stieg die Bedeutung des Ortes, die den Bau der „Festung Sarajewo“ zur
Folge hatte.
Zur Zeit der
österreichisch-ungarischen Verwaltung war Sarajewo die Landeshauptstadt
des von beiden Reichshälften gemeinsam verwalteten Bosnien und
Herzegowina. Die Stadt entwickelte sich entlang des in Ost-West-Richtung
verlaufenden Flusses Miljacka. Das Tal weitet sich gegen Westen hin in
ein geräumiges Becken, in dem sich die Karstquelle der Bosna befindet.
Sarajewo, das auf einer Seehöhe von 511 m liegt, ist im Norden, Osten
und vor allem im Süden von steil ansteigenden Bergrücken eingefasst, die
das Tal zwischen 300 m und 400 m überragen. Den höchsten Punkt bildet
mit 1.629 m der Gipfel des Trebevic, der sich südöstlich der Stadt
befindet.
Werke, Zwischenwerke und
Wachhäuser (Kula) der Festung Sarajewo. (Grafik: Volker Pachauer)
Entwicklung der Festung Sarajewo
Bedingt durch
die lokale Topografie ist die Stadt historisch im Wesentlichen linear
entlang der Miljacka von Ost nach West gewachsen. Der älteste Teil, der
heutige Stadtteil Vratnik, der weitgehend in osmanischer Zeit entstanden
ist, befindet sich auf einem nach Westen geneigten Hang, den Talboden
zwischen 50 m und 150 m überhöhend. Dieser, in österreichischungarischer
Zeit vorwiegend als „Kastell“ bezeichneter Stadtteil, war von einer
durchgehenden Mauer samt Wehrtürmen umzogen. Drei der Türme waren als
Stadttore ausgebildet, neben dem Ploce Turm und dem Širokac Turm liegt
das auch heute noch gut erhaltene Višegrader Tor. Ahmed-Pasha
Rustempasic Skopljak ließ diese Befestigung zwischen 1727 und 1739 zum
Schutz der bis zu diesem Zeitpunkt offenen Stadt errichten. Die
südöstliche auf einem nach Süden und Osten hin steil abfallenden
Felssporn gelegene Ecke wurde durch die Bijela Tabija, die „Weiße
Bastion“, verstärkt. Diese ursprünglich solitäre Fortifikation dürfte
bereits auf die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückgehen. In deren
unmittelbaren Umgebung befanden sich Kasernen und Lagergebäude, die
diesen Bereich funktionell als Zitadelle auswiesen. Gegen das Tal hin
wurde die Stadtbefestigung noch durch die sogenannte „Gelbe Bastion“,
die Žuta Tabija, verstärkt. Der Konak (ein herrschaftliches Anwesen zur
Zeit des Osmanischen Reiches) befand sich südlich der Miljacka, somit
außerhalb der eigentlichen Stadt.
Westlich des
Stadtteils Vratnik siedelten sich ab dem 15. Jahrhundert Handwerker an,
wodurch sich hier ein Marktplatz entwickelte. Dieser alte Bazar wird
meist unter Bašcaršija zusammengefasst. Ebenfalls in westlicher Richtung
schließt die aus österreichisch-ungarischer Zeit stammende planmäßige
Stadterweiterung an, die sich bis in das Koševo-Tal nördlich des
Bahnhofs erstreckt. In der Zeit des SHS-Staates (Staat der Serben,
Kroaten und Slowenen; Anm.) bzw. des Königreiches Jugoslawien wuchs die
Stadt weiter in westliche Richtung. Im sozialistischen
Nachkriegs-Jugoslawien dehnte sich Sarajewo bis zum Flughafen Butmir bzw.
dem
olympischen Dorf aus. Durch die Zerstörungen im Bosnienkrieg und dem
Wiederaufbau der vergangenen Jahre ist das alte Erscheinungsbild dieser
ursprünglich homogenen Stadtteile mit modernen Bauten durchsetzt.
Die "Gelbe Bastion" im
Osten von Sarajewo (Stand: 2018). (Foto: Volker Pachauer)
Zwischenwerk "Weiße
Bastion" im Osten von Sarajewo (Stand: 2018). (Grafik: Volker Pachauer)
Innenansicht des
Zwischenwerks "Weiße Bastion" mit Gewehr- und Geschützscharten (Stand:
2018). (Foto: Volker Pachauer)
Strategische Position und „k.u.k.-Heereslager“
Im Zentrum
von Sarajewo befanden sich die Gebäude der österreichisch-ungarischen
Stadt- und Landesverwaltung sowie der höchsten militärischen Organe für
Bosnien. Zusätzlich zum kommandierenden General, der gleichzeitig die
Funktion des Chefs der Landesregierung innehatte, waren mit Stand
Frühjahr 1914 in Sarajewo stationiert: Das 15. Korpskommando unter
Armeeinspektor Feldzeugmeister Oskar Potiorek, diesem direkt unterstellt
die Militärbauabteilung für Bosnien, die 1. und die 48.
Infanterietruppendivision mit der 8. und 10. Gebirgsbrigade (beide
ebenfalls in Sarajewo stationiert), zudem die 2. Gebirgs- und 5.
Festungsartilleriebrigade. Dem Korpskommandanten war zur Unterstützung
in fortifikatorischen Belangen ein Befestigungsbaudirektor mit seinem
Stab zugeteilt. Die nominell volle Kriegsbesatzung der Festung Sarajewo
war zu Beginn des Ersten Weltkrieges mit 23 Kompanien (etwa 3.500 Mann)
veranschlagt. Neben dem Konak (Amtssitz des Repräsentanten des
Osmanischen Reiches) und der Weißen Bastion konnten im Jahr 1878 weitere
aus der osmanischen Zeit stammende Kasernenanlagen von der
österreichisch-ungarischen Militärverwaltung übernommen werden.
Die
Topographie von Sarajewo hatte maßgeblichen Einfluss auf den Umfang und
die Art der fortifikatorischen Sicherungsmaßnahmen Österreich-Ungarns.
Für eine militärische Behauptung des politischen und administrativen
Zentrums von Bosnien war, wie sich das bereits bei der Okkupation 1878
gezeigt hatte, die Besetzung der umliegenden Bergrücken unumgänglich.
Zum einen wurde die Stadt von diesen Anhöhen gänzlich dominiert, das
heißt, von diesen Punkten konnte beinahe die ganze Stadt eingesehen
werden, zum anderen musste ein artilleristisches Beschießen des Zentrums
und aller dort gelegenen zivilen und militärischen Einrichtungen im
Falle eines Angriffes verhindert werden. Von strategischer Bedeutung war
auch die Lage der Landeshauptstadt. Sarajewo war gegen Süden hin durch
die vorgeschobenen Festungen Bilek und Trebinje sowie die Sperren
Kalinovik, Ulog-Obrnja, Nevesinje und Stolac gesichert. Gegen Osten und
Südosten hin bildete nur der Fluss Drina ein natürliches Hindernis. Die
ab 1881 mehrfach geforderte fortifikatorische Sicherung der „Drina-Linie“
an der Grenze zum Königreich Serbien wurde niemals realisiert. Besonders
bedroht schienen demnach die Ost- und Nordostseite von Sarajewo. Dies
hatte maßgeblichen Einfluss auf die folgenden Baumaßnahmen. Die
fortifikatorische Sicherung – das betrifft nicht nur die
Landeshauptstadt – sollte deren Verteidigung mit einer deutlich
reduzierten Anzahl an Truppen ermöglichen.
Aufgrund
unzulänglicher personeller und finanzieller Ressourcen konnten vorerst
keine Befestigungsanlagen errichtet werden. Das Militär benötigte
dennoch eine beträchtliche Anzahl an Neubauten. Für die Einquartierung
der stationierten Truppen entstanden ab 1879, unmittelbar nach der
Okkupation, vorerst provisorische Militärkomplexe. Diese waren durchwegs
außerhalb der Stadt, konkret im Bereich des späteren Bahnhofs westlich
der Stadt und im Koševo-Tal gelegen. In fortifikatorischer Hinsicht
musste sich das Militär mit dem Vorhandenen begnügen und unterhielt bzw.
adaptierte die Weiße und die Gelbe Bastion im Bereich des Kastells.
Schnitt und Grundriss
eines 15-cm-Panzermörsers M80. (Grafik: Archiv Volker Pachauer)
Panzerkuppel mit der
Produktionsnummer 36 beim Werk IV (Stand 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Panzerkuppel für einen
15-cm-Mörser M80 beim Werk II "Vraca" (Stand: 2011). (Foto: Volker
Pachauer)
Schnitt und Grundriss
eines splittersicheren Distanzmessstandes. (Grafik: Archiv Volker
Pachauer)
Beobachtungskuppel am
linken Koffer des Werks II "Vraca". (Foto: Volker Pachauer)
Militärische Befestigung
Im
bosnisch-herzegowinischen Aufstand gegen das Habsburgerreich von 1881/82
war Sarajewo nicht ernsthaft bedroht, mit der Konsequenz, dass auch in
den folgenden Jahren der Befestigung der Landeshauptstadt keine
Priorität zugesprochen wurde. Immerhin zog dieses Ereignis eine
neuerliche Begutachtung der Festungsanlagen zur Sicherung Sarajewos nach
sich. Im Zuge der ausgedehnten Kommissionsreise Ende März bis Anfang
April des Jahres 1882 und in Abstimmung mit den lokalen Truppenkommanden
wurden vom General-Genieinspektor, Feldzeugmeister Salis-Soglio,
konkrete Befestigungsentwürfe für Sarajewo ausgearbeitet. Diese
beinhalteten eine umfangreiche Variante unter Einbeziehung der
dominanten Geländepunkte westlich und östlich der Stadt sowie eine
deutlich reduzierte Version, in der die Höhen unmittelbar östlich und
südlich der Stadt – inklusive Pašino Brdo, Dragulica, Siljevina und
Palez – befestigt werden sollten. Davon konnte vorerst nichts gebaut
werden. Die im Jahr 1882 beginnende Bautätigkeit fokussierte sich in
Sarajewo vorerst auf die Verbesserung der notwendigen Infrastruktur für
die in Sarajewo einzuquartierenden Truppenkörper und dem Schaffen von
Lagerräumlichkeiten.
Erst mit dem
Ausbruch des Serbisch-Bulgarischen Krieges und den daraus resultierenden
Spannungen mit dem Zarenreich wuchs ab 1885 die Dringlichkeit der
Befestigung von Sarajewo. An den Ausbau konnte allerdings erst nach
Abschluss der Bautätigkeit im Bereich von Mostar geschritten werden, da
dort noch sämtliche Ressourcen gebunden waren. Als eine Art Notlösung
beabsichtigte man die Landeshauptstadt behelfsmäßig zu befestigen. Das
Kriegsministerium in Wien ordnete 1887 an, Projekte für eine feldmäßige
Befestigung der darin definierten Hauptpunkte (Pašino Brdo, Orlovac,
Vraca und Hum) auszuarbeiten. Dies entsprach weitgehend dem reduzierten
Projekt aus dem Jahr 1882. Der Bau von befahrbaren Straßen zu den
Punkten Pašino Brdo, Hum und Vraca war bereits am 12. Jänner 1887
angeordnet und durch die Geniedirektion Sarajewo an lokale
Bauunternehmen vergeben worden. Die Ausführung der Befestigungsobjekte
sollte erst im Bedarfsfall erfolgen.
Übungsobjekt am ehemaligen k.u.k.-Schießplatz in Sarajewo (Stand: 2011).
(Foto: Volker Pachauer)
Im Gegensatz
zur Weisung aus Wien erbat der kommandierende General in Bosnien,
General der Kavallerie Johann Freiherr von Appel, die Sicherung der
Landeshauptstadt Sarajewo „in permanenter Ausführung“. Er stellte dafür
– quasi als Kompensation – eine reduzierte Anzahl von Objekten in den
Raum. Um in dieser Angelegenheit eine Entscheidung zu treffen – die
Bausaisonen 1886 und 1887 waren ohne jegliche Befestigungstätigkeit
verstrichen – berief der Generalstabschef, Feldmarschallleutnant
Friedrich Freiherr von Beck für den 26. Februar 1888 eine neuerliche
Kommission in Wien ein. Neben seiner Person sollten Vertreter der 5., 7.
und 8. Abteilung des Kriegsministeriums sowie des 15. Korps aus Sarajewo
teilnehmen. Den Vorsitz übernahm der General-Genieinspektor, Daniel
Freiherr von Salis-Soglio. Aufgrund der konstatierten Dringlichkeit
wurde nun ein Befestigungskonzept im Rahmen der Möglichkeiten
beschlossen. Nachdem 1888 endlich Geldmittel für die Landeshauptstadt
verfügbar waren, wurde die Geniedirektion Sarajewo mit der umgehenden
Befestigung der exponierten Ostfront beauftragt. Als erstes schritt man
an die Planung und Ausführung des Zwischenwerks Polygon und die
Rekonstruktion der Weißen Bastion. Vor allem bei letzterer wurden
bestehende Befestigungsreste inkorporiert. Weite Teile der Kastell-Mauer
wurden ebenfalls beibehalten und instandgesetzt.
Das Werk am
Pašino Brdo bildete das erste detachierte Werk der Festung Sarajewo. Es
unterscheidet sich maßgeblich von den bis zu diesem Zeitpunkt im
Okkupationsgebiet ausgeführten Plattformwerken und bildete den Prototyp
für die vier Hauptwerke der Festung Sarajewo. Die Neubauten um Sarajewo,
die neben feldgeschützsicheren Betondecken bereits über Panzerkuppeln
zum Schutz der Beobachtungsmittel und zumindest eines Teiles der
Bewaffnung verfügten, leiteten das Ende der Ära der Plattformwerke in
Bosnien und Dalmatien ein. Den südlichen Abschluss der Linie Pašino
Brdo-Polygon-Weiße Bastion sollte ein Werk auf dem nördlichen Ausläufer
des Trebevic, das spätere Werk I „Dragulac“, bilden. Aufgrund der
knappen finanziellen Mittel konnte dieser Werksbau erst 1895 eingeleitet
werden. Das Werk II "Vraca", fertig gestellt 1898, und das Werk III am
Hum, vom Militär im Jahr 1899 übernommen, folgen (wie Dragulac) dem
Schema Pašino Brdo als kompakte Gebirgspanzerwerke mit offen
aufgestellter Fernkampfartillerie. Sarajewo war nunmehr von relativ
modernen Befestigungsanlagen umgeben, verfügte allerdings über keine
durchgehende Verteidigungslinie. Nur die Ostfront wies Ansätze einer
Gürtelbefestigung auf.
Aufgrund der
stützpunktartigen Befestigung kam der Sicherung der militärischen
Einrichtungen innerhalb der Stadt eine große Bedeutung zu. An Stelle
eines Noyaus trat zunächst die durch die osmanische Stadtmauer
befestigte Altstadt von Sarajewo. Als Noyau bezeichnete man im 19.
Jahrhundert den besonders geschützten, innersten Teil einer Festung. Es
konnte die ganze zivile Stadt oder nur Stadtteile umfassen. Das Noyau
sollte einerseits die wichtigsten Einrichtungen der Festung jederzeit –
auch im Frieden – gegen Überfälle sichern. Andererseits bildete es eine
zweite Verteidigungslinie, falls ein Angreifer durch die
Gürtelbefestigung gestoßen wäre. Innerhalb derselben befanden sich die
Kastellkaserne, ein Munitionsmagazin und ein Wasserhochbehälter der
städtischen Wasserversorgung. Das Kastell hatte allerdings den großen
Nachteil, dass es sowohl an der exponierten Ostseite lag, als auch
unmittelbar in die Verteidigungslinie integriert war. Aus diesem Grund
entstanden bereits ab 1882 neue Militärobjekte westlich der Stadt und im
Koševo-Tal. Der Barracken Komplex beim Bahnhof wurde zu einem großen
Defensionslager, später als Philippovic-Kaserne bezeichnet, ausgebaut.
Dieses Defensionslager, das über zwei Flankierungsanlagen verfügte – die
südwestliche war mit zwei 7-cm-Gebirgsgeschützen (Muster 1899) armiert
–und vollständig sturmfrei (gegen ein handstreichartiges Eindringen
eines Angreifers auch in Friedenszeiten gesichert; Anm.) war, fungierte
nunmehr als Noyau. Hier befand sich auch das Kriegsmunitionsmagazin.
Die rechte Flanke des
Werks IV am Pasino Brdo (Stand 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Skizze des Werks IV. (Grafik:
Volker Pachauer)
Frontseite mit
Frontkoffer des Zwischenwerks "Zlatistje" (Stand: 2011). (Foto: Volker
Pachauer)
Grundriss des
Zwischenwerks Zlatistje. (Grafik: Volker Pachauer)>
Ausbau und Erweiterungen
Im Jahr 1906,
in dem auch die Bosnische Ostbahn eröffnet wurde, erfolgten geringfügige
Ergänzungen. Die lange Südfront zwischen den Werken I „Dragulac“ und II
„Vraca“ wurde durch Einschieben der beiden Wachhäuser Bistrik und Palez
verstärkt. Eine deutlich intensivierte Planungs- und Bautätigkeit zog
die der Annexion Bosniens und der Herzegowina im Jahr 1908 folgende
Krise nach sich. Als Reaktion auf die gespannte außenpolitische
Situation sah ein erster Modernisierungsvorschlag aus dem Jahr 1908 die
Rekonstruktion der bestehenden Werke um Sarajewo vor. In diesem vom
General-Genieinspektor, Feldmarschallleutnant Ernst Freiherr von
Leithner, ausgearbeiteten Entwurf sollten das Werk I mit einer
Traditor-Batterie für zwei, das Werk IV mit zwei Traditor-Batterien für
insgesamt vier 8-cm-Minimalschartenkanonen (Muster 1905) hinter
Panzerschilden versehen werden. Unter Ausnutzung der vorhandenen Kuppeln
für die bisher eingestellten 15-cm-Panzermörser (Muster 1880) forderte
die 7. Abteilung im Kriegsministerium in Wien, sich dem Antrag des
Festungskommandos anschließend, die neuen 10-cm-Panzerhaubitzen (Muster
1906) in diese einzulegen. Die zu adaptierende bestehende Befestigung
sollte immerhin durch einen Neubau auf dem Trebevic ergänzt werden.
Diese
Projekte wurden nicht umgesetzt, die Festung Sarajewo jedoch durch
einige Neubauten verstärkt. Östlich des Werkes II unterstützte fortan
das Zwischenwerk „Zlatistje“ die Südfront. Das lange Intervall zwischen
Werk III und Werk IV nördlich der Stadt wurde durch das Wachhaus „Gradonj“
und den feldmäßigen Stützpunkt Koševo geschlossen. Diese Baumaßnahmen
waren bis Ende der Bausaison 1909 abgeschlossen. Die zwischen der Weißen
Bastion und dem Werk I „Dragulac“ projektierte Kula (=Wachhaus) „Ercedol“
wurde hingegen nicht ausgeführt. Sarajewo verfügte ab diesem Zeitpunkt
über eine gürtelartige Befestigungslinie mit einer Gesamtlänge von knapp
18 Kilometern.
Eine deutlich
umfassendere Modernisierung sah im Folgenden die 8. Abteilung des
Kriegsministeriums vor. Sie schlug eine Beibehaltung der bestehenden
Gürtelbefestigung als erweitertes Noyau bzw. innere Verteidigungslinie
vor. An Stelle eines durchgehenden kleineren Werksgruppen, die eine
vorgeschobene „Skelettbefestigung“ bilden sollten, da nur die
strategisch bedeutendsten Punkte durch Werke gesichert waren. Diese
sollten Sarajewo mit einer geringen Anzahl an Truppen bis zur
vollständigen Mobilisierung schützen. Im Zuge der Ausrüstungsphase
sollten die Intervalle durch Feldbefestigungen kontinuierlich verstärkt
werden, bis zur Bildung einer durchgehenden Verteidigungslinie. Diese
konnte schließlich durch die volle Kriegsbesatzung bezogen werden.
Bei der
Festlegung der zu befestigenden Punkte orientierte sich die 8. Abteilung
an einem dem General-Genieinspektor Franz Freiherr von Leithner
vorgelegten Antrag der Geniedirektion Sarajewo. Für die Punkte „Vaganj“,
„Glog“, „Orlic“, „Kote 647“ und „Percin“ sah man Werke mit einer
Armierung von jeweils zwei 10-cm-Turmhaubitzen vor. Der Trebevic sollte
mit einem gepanzerten Beobachtungsposten, armiert mit zwei
7-cm-Gebirgskanonen, besetzt, der Gipfel des Mojmilo mit einem
Panzerwerk mit vier 10-cm-Turmhaubitzen gesichert werden. Zwei
Gruppenbefestigungen auf Siljevina und Goropec-Gradina sollten ebenfalls
jeweils vier Turmhaubitzen erhalten.
Planungen und Projekte bis Kriegsbeginn 1914
Hof mit Kehlbatterie des
Werks II "Vraca" (Stand: 2018). (Foto: Volker Pachauer)
Das innere Tor des Werks
"Vraca" südöstlich von Sarajewo (Stand: 2018). (Foto: Volker Pachauer)
"Fensterläden" des Werks
II "Vraca" (Stand: 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Panzermörserbatterie des
Werks IV am Pasino Brdo (Stand: 2018). (Foto: Volker Pachauer)
Mauerreste bei der linken
Flanke des Werks I "Dragulac" (Stand: 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Noch
weitgreifender war das Projekt des General-Genieinspektors aus dem Jahr
1909. Sarajewo sollte durch insgesamt acht neue Panzerwerke und einen
befestigten Beobachtungsposten am Trebevic gesichert werden. Die
Fernkampfartillerie der Werke sollte aus jeweils vier 10-cm-
Turmhaubitzen (Muster 1909) bestehen. Für die Werke „Glog“, „Siljevina“,
„Vaganj“ und „Siljevo Brdo“ war zusätzlich eine Traditor-Batterie mit je
zwei 8-cm-Minimalschartenkanonen (Muster 1905) angedacht, um an den
exponiertesten Gürtelabschnitten eine höhere Feuerdichte zu generieren.
Auch bei dieser Variante sollten die bestehenden Befestigungen erhalten
bleiben und eine innere Verteidigungslinie bilden. Die Realisierung
dieses weitgreifenden Projekts war mit den zur Verfügung stehenden
Mitteln allerdings nicht realisierbar. Wieder einmal musste der Fokus
auf die Verstärkung der Ostfront gelegt werden. Ab 1910 wurden erste
Baumaßnahmen, konkret die Armierungsstraßen zu den Emplacements
Siljevina und Glog, eingeleitet.
Der rechte Kehlpunkt des
Wachhauses "Bistrik" (Stand: 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Wachhaus in Gradonj
nördlich der Stadt mit Maschkuli über dem Eingang (Stand: 2018). (Foto:
Volker Pachauer)
Kehlseite des Wachhauses
Palez (Stand: 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Die rechte Flanke des
Zwischenwerks Polygon mit Kehlkoffer (Stand: 2018). (Foto: Volker
Pachauer)
Zwischenwerk Polygon
nordöstlich von Sarajewo (Stand 2011). (Foto: Volker Pachauer)
Unter dem
Eindruck der Balkankriege 1912 und 1913 wurde für Sarajewo die
vollständige Verteidigungsinstandsetzung befohlen. Die Gürtellinie wurde
mit einer durchgehenden Linie von Stützpunkten und Schanzen versehen.
Dies bedeutete aber auch den Baustopp bei Siljevina und vor allem bei
Glog. Beide wurden als feldmäßige, mit Artillerie dotierte, Stützpunkte
ausgebaut. Im Frühjahr 1914 legte der Armeeinspektor, Feldzeugmeister
Oskar Potiorek, dem Kriegsministerium ein umfassendes Konzept für die
fortifikatorische Sicherung Bosniens, der Herzegowina und des südlichen
Dalmatien vor. Dieses sollte bis Ende der Bausaison 1916, also innerhalb
von drei Jahren, umgesetzt werden. In seinem Programm forderte er die
Modernisierung der Festung Sarajewo. Die bestehenden Befestigungsanlagen
sollten im Status quo erhalten bleiben und analog den älteren Projekten
eine innere Verteidigungslinie bilden. Auf den bereits mehrfach
vorgeschlagenen Punkten Mojmilo und Orlic westlich der Stadt sollte
jeweils ein Panzerwerk entstehen. Die Verkehrslinien, die Sarajewo im
Osten mit Foca und Višegrad verbinden, sollten durch ein kompaktes Werk
auf dem Trebevic und jeweils eine größere Befestigungsanlage auf Glog
und Crepolsko gesichert werden.
Der Ausbruch
des Ersten Weltkriegs verhinderte die Realisierung dieser Projekte. Auf
allerhöchsten Befehl wurden am 27. Juli 1914 die festen Plätze im
Okkupationsgebiet in den Kriegszustand versetzt und am 28. Juli 1914 (Erster
Mobilmachungstag) mit den Ausrüstungsarbeiten begonnen. In den folgenden
Monaten wurde um den bestehenden Festungsgürtel von Sarajewo eine
vorgeschobene feldmäßige Befestigungslinie errichtet und besetzt. Trotz
der serbischen und montenegrinischen Vorstöße in das östliche Bosnien im
Herbst 1914 – am 25. September 1914 waren die montenegrinischen Spitzen
nur mehr etwa einen Tagesmarsch entfernt – wurde die Festung Sarajewo
während des gesamten Ersten Weltkrieges in keine Kampfhandlungen
verwickelt.
DI Volker Pachauer ist Vorstandsmitglied der Österreichischen
Gesellschaft für Festungsforschung, Mitglied bei ICOFORT und ICOMOS
Austria. |